Fahrerkabine 4.0 und Cab10Future: Ein Fenster in die Zukunft des Fahrerarbeitsplatzes auf Erntemaschinen und Traktoren
Um das Leistungspotential komplexer Erntemaschinen voll auszuschöpfen, werden Fahrer schon heute durch zahlreiche automatische Assistenzsysteme unterstützt. Der Automatisierungsgrad wird sich in den nächsten Jahren tendenziell weiter erhöhen. Dadurch kommt es zu Phasen, in denen Fahrer selbst mit Blick auf Überwachungsaufgaben so wenig zu tun haben, dass sie sich unterfordert fühlen und schneller ermüden. Die Kabine einer Erntemaschine muss daher zukünftig die Möglichkeit bieten, den Fahrer neben seinen maschinenspezifischen Aufgaben auch andere Beschäftigungen ausüben zu lassen.
Das Forschungsprojekt „Fahrerkabine 4.0 – OnField“ zeigt mittels neuester Technologien wie Joystick-Lenkung, Fahrer-Konditionserkennung und Eye-Tracking, wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen kann. Dafür umfasst dieses Konzept eine neuartige Kabinenausrüstung mit Internetanbindung und verschiedenen Mensch-Maschinen-Schnittstellen in Form von Kameras, Headup-Displays, Monitoren, Tastatur und vielem mehr. Mit dieser Ausrüstung ist es möglich, das Beanspruchungsniveau des Fahrers fortlaufend zu erfassen und so eine bidirektionale Kommunikation aufzubauen. In diesem Zusammenhang gibt das System dem Fahrer alternative Handlungs- und Beschäftigungsempfehlungen, wenn er nur wenig beansprucht wird.
Grundlage dafür ist ein virtueller, durch einen Eye-Tracker im Dachhimmel unterstützter Assistent, der den Fahrer nach Erkennung von Müdigkeit verbal anspricht und ihn auf die Handlungsempfehlungen aufmerksam macht. Für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen kann der Fahrersitz per Knopfdruck in drei Positionen gestellt werden. Während der Sitz im Arbeitsmodus in Geradeausstellung steht, wird er für den sogenannten Entspannungsmodus nach links geschwenkt. Nun kann der Fahrer z.B. leichte gymnastische Übungen machen, um den Körper zu regenerieren. Alternativ kann er über das Headup-Display z.B. Informationen über Entspannungsthemen abrufen, Lernvideos anschauen oder private Arbeiten erledigen.
Im Büromodus ist der Sitz nach rechts gedreht, sodass der Fahrer das Headup-Display auf der rechten Seitenscheibe im Blick hat. Zusätzlich kann er nun auch ein mobiles Tastaturtableau mit Trackpad zwischen den Armlehnen positionieren, und damit Büroarbeiten wie E-Mail-Kommunikation, Internetrecherchen oder Planungs-, Dokumentations- und Controllingarbeiten mit dem Betriebsmanagementsystem erledigen. Diese Arbeiten würden heutzutage zusätzliche Bürozeiten erfordern und die Freizeit von Betriebsleitern einschränken.
Als wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Praxiseinsatz der neuen Funktionen der Fahrerkabine 4.0 muss die Erntemaschine mit einer automatischen Vorfeldüberwachung ausgerüstet sein. Erkennt die Vorfeldüberwachung Hindernisse, so erhält der Fahrer frühzeitig Hinweise, dass er den Entspannungs- bzw. Büromodus verlassen muss, um die Steuerung der Maschine zu überwachen.
An der Entwicklung der Fahrerkabine 4.0 sind fünf Unternehmen und Institutionen beteiligt: Das Karlsruher Institut für Technologie (Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation sowie Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen), das Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim, die InMach Intelligente Maschinen GmbH, die Budde Industrie Design GmbH und die Claas Selbstfahrende Erntemaschinen GmbH. Das Projekt zur Entwicklung der Fahrerkabine 4.0 wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „Agrarsysteme der Zukunft“ gefördert. Das 2019 gestartete Projekt zeigte in Fokusgruppen-Workshops mit Fahrern und Betriebsleitern eine hohe Nutzerakzeptanz.
Mit der CAB10Future zeigt CLAAS darüber hinaus seine eigene Vision für die Kabine der Zukunft: Komfortableres Arbeiten mit einem in beide Richtungen bis zu 60 Grad drehbaren Sitz für fokussiertes Arbeiten, Wohlfühlatmosphäre durch intelligente Beleuchtung und hochwertige Materialien, Digitalisierung pur durch großflächige Displays im vorderen Fokusbereich und nachhaltige Bauweise durch einfachen Austausch verschleißanfälliger Module und den Einsatz recycelter Materialien. Mittels der „durchsichtigen“, über Kameras und Displays die Umgebung widerspiegelnde A-Säulen und die fehlende Lenksäule (autonome Fahrweise) erfährt der Bediener ein beeindruckendes Raumerlebnis. Die Maschinenkommunikation nach außen wird über die 360° Außenbeleuchtung vereinfacht.
Das Konzept Cab10Future ist in dieser Ausstattung nahezu baugleich auf Erntemaschinen (Mähdrescher, Feldhäcksler) und Großtraktoren einsetzbar.