1969 - 1988

CLAAS – der Erntespezialist

Mit dem Kauf der Firmen Bautz und Speiser verbreiterte CLAAS seine Produktpalette auf einen Schlag um Mähwerke, Wender, Schwader, Ladewagen sowie Feldhäcksler. In den Folgejahren vollzog CLAAS den Imagewandel vom reinen Mähdrescherspezialisten zu einem breit aufgestellten „Erntespezialisten“.

1969 - 1988

CLAAS – der Erntespezialist

Mit dem Kauf der Firmen Bautz und Speiser verbreiterte CLAAS seine Produktpalette auf einen Schlag um Mähwerke, Wender, Schwader, Ladewagen sowie Feldhäcksler. In den Folgejahren vollzog CLAAS den Imagewandel vom reinen Mähdrescherspezialisten zu einem breit aufgestellten „Erntespezialisten“.

CLAAS – der Erntespezialist

In den Wirtschaftswunderjahren nach dem Krieg hatte CLAAS einen fast schon kometenhaften Aufstieg zu einem der weltweit führenden Mähdrescherhersteller hingelegt. Schließlich kam aber das Ende des Wirtschaftsbooms und die Nachfrage nach Landmaschinen nahm rapide ab. Das Unternehmen wurde daraufhin umfassend modernisiert und strategisch neu ausgerichtet. Mit dem Kauf der Firmen Bautz und Speiser verbreiterte CLAAS seine Produktpalette und vollzog den Wandel vom reinen Mähdrescherspezialisten zu einem breit aufgestellten „Erntespezialisten“.

Der Unternehmenswandel zeigte sich auch im äußeren Erscheinungsbild: 1966 erneuerte CLAAS das Firmenlogo und führte die heute bekannte "saatengrüne" Maschinenfarbe ein.

Die späten 1960-er Jahre waren eine Zeit des Wandels – wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Auch in der Landwirtschaft hatte sich die Lage gewaltig verändert. Nach der stürmischen Zeit der Erstausrüstung mit Landmaschinen kam es in Europa gegen Ende der 1960-er Jahre zu einer deutlichen Marktabkühlung, die von einem tief greifenden Strukturwandel in der Landwirtschaft herrührte.

„Wachse oder weiche“, so lautete die weitverbreitete Devise jener Zeit. Jene Devise galt aber nicht nur für die Landwirte, sondern gleichermaßen auch für die Hersteller von Landmaschinen. Die Folge: Zahlreiche Maschinenbauern, darunter ehemals namhafte Hersteller, warfen das Handtuch hin und stiegen endgültig aus. So brach der Mähdrescherabsatz allein in Deutschland im Jahr 1970/71 auf 54 Prozent der Vorjahresmenge ein.

Die neue Situation hatte auch bei CLAAS vieles verändert und zu einem Umdenken geführt. Was von vielen bereits als existentielle Unternehmenskrise gedeutet wurde, erwies sich im Rückblick jedoch als Motor für eine umfassende und nach einer Zeit des rasanten Wachstums notwendige Unternehmensmodernisierung. Mehr noch: CLAAS ging mit einer Vielzahl zukunftsweisender und innovativer Produkte aus dieser Krise der Landtechnikindustrie hervorgehen. Durch die Turbulenzen auf dem Markt sah schließlich auch CLAAS sich gezwungen, seine bisherige Nischenstrategie, allein auf den Mähdrescher zu setzen, gründlich zu überdenken

Einstieg in die Futterernte

Mit dem Kauf der Firmen Bautz und Speiser verbreiterte CLAAS seine Produktpalette auf einen Schlag um Mähwerke, Wender, Schwader, Ladewagen sowie Feldhäcksler.

Was lag da näher als das Pressengeschäft, in dem CLAAS noch einen guten Namen bei seine Kunden besaß, wieder aufzunehmen. Nach sorgfältiger Standortwahl hatte man bereits im Herbst 1961 in Lothringen ein neues Produktionswerk auf der grünen Wiese fertiggestellt. Es dauerte nicht sehr lange, bis das Unternehmen wieder den Anschluss an die europäische Spitzengruppe gefunden hatte.

Mit der Wiederaufnahme der Pressenproduktion stand das Unternehmen bereits mit einem Bein in der Futterernte. Der wirkliche Eintritt erfolgte jedoch erst mit dem Erwerb der Firma Bautz, Saulgau, im Jahr 1969. Alfred und Eugen Bautz, die geschäftsführenden Gesellschafter des alten und angesehenen Familienunternehmens und Freunde von Firmengründer August Claas, hatten Schwierigkeiten, eine geeignete Nachfolge für ihr Unternehmen zu finden. Die Firma Bautz hatte eine lange Tradition und verfügte über große Erfahrung in der Futterernte, lag sie doch mitten in einem Gebiet mit intensiver Grünlandwirtschaft und hocheffizienten Milchviehbetrieben. Das Futterernte-Know-how steckte bei Bautz sozusagen in den Mauern. Somit kam CLAAS zu einem breiten Angebot an Mähern, Zettern, Schwadern und Ladewagen.

Den nächsten Schritt in der Verbreiterung der Produktpalette setzte das Unternehmen durch die Übernahme des renommierten und befreundeten Landmaschinenbauers Hermann Speiser aus Göppingen. Da Speiser seine Häckslerproduktion abgeben wollte, griff CLAAS spontan zu und fügte das System „Häckseltechnik“ zum Saulgauer Programm der Futterernte hinzu. Der Mais als Häckselgut spielte seinerzeit zwar noch keine große Rolle. Der Wert des Produktnamens JAGUAR, den das Unternehmen von Speiser mit übernommen hatte, sollte sich aber in späteren Jahren zeigen.

Bereits 1972 ging CLAAS daran, selbstfahrende Häcksler zu entwickeln – angespornt durch das wachsende Interesse des Marktes und inspiriert von selbstgebauten Maschinen einiger Händler. Mit der Erfahrung im Bau von selbstfahrenden Mähdreschern und einem großen Reservoir an erprobten Komponenten aus der Mähdrescher-Großserienfertigung konnte die Entwicklungszeit stark verkürzt werden. Bereits 1973 stellte das Unternehmen seinen ersten selbstfahrenden Feldhäcksler vor, den JAGUAR 60 SF. Recht bald avancierte das Unternehmen mit der weiterentwickelten JAGUAR Baureihe zum europäischen Marktführer und schließlich – mit der 800er Baureihe – zum Weltmarktführer.

Mit der Silageerntetechnik war der Ausbau der Produktsparte „Futterernte" bei CLAAS zu einem gewissen Abschluss gekommen. Das Unternehmen deckte nunmehr sowohl Körner- als auch Futterernte mit einem breiten Produktangebot ab. Aus dem Mähdrescherspezialisten wurde: „CLAAS – der Erntespezialist“.

Aufbruch zu neuen Größen

Ein Mähdrescher für alle Felder der Welt. Der DOMINATOR 80 war das erste Modell der berühmten Mähdrescher-Baureihe.

Da war aber noch der Mähdrescher, die „bread and butter“-Maschine, die in all den Jahren der Diversifizierung keineswegs vernachlässigt werden durfte. Der gleitende Übergang von der gezogenen Maschine zu den Selbstfahrern war Ende der 1960er Jahre im europäischen Markt weitgehend abgeschlossen – der legendäre SUPER hatte damit ausgedient. Die gezogenen Maschinen, weit überwiegend im Besitz von Landwirten, wurden mehr und mehr durch kleine Selbstfahrer ersetzt zu Preisen, die unter der 10.000-DM-Grenze lagen.

Mit den Selbstfahrern setzte schließlich auch der Trend zur Nachbarschaftshilfe, zu Maschinengemeinschaften und zu Lohndreschern und damit zu immer leistungsfähigeren Maschinen, stärkeren Motoren, breiteren Schneidwerken und größeren Korntanks ein. Auf diesen Wandel in der Landwirtschaft reagierte CLAAS mit einer völlig neuen Entwicklung, dem Projekt 12, besser bekannt unter dem Namen DOMINATOR.

Der DOMINATOR, der im Sommer 1970 erstmals in der Ernte lief, wurde in kürzester Zeit nach dem Simultaneous Engineering-Verfahren entwickelt, bei dem Entwicklung und Produktion nahezu gleichzeitig stattfanden. Mit dem DOMINATOR setzte CLAAS neue Maßstäbe was den internationalen Mähdrescherbau anbelangt. Die neu eingeführte, modulare Bauweise führte zu einem Rationalisierungsschub mit erheblichen Kostensenkungen in der Fertigung und zu einer Reduzierung der Bestände.

Und auch auf dem Feld konnte der neue Mähdrescher überzeugen. Wegen seiner hohen Leistungsfähigkeit, der Zuverlässigkeit und der „Multi-Crop"-Fähigkeit entwickelte sich der DOMINATOR in den Folgejahren zum meistverkauften Mähdreschermodell in Europa. Im Geschäftsjahr 1983/84 gelang es dem Unternehmen, seinen Umsatz erstmals auf über eine Milliarde D-Mark anzuheben.

Es galt, die Spitzenposition weiter zu verteidigen. Dies geschah mit dem neuen CS-Modell, bei dem die Schüttler durch ein sogenanntes „Cylinder-System“ (CS) mit acht Abscheidezylindern ersetzt wurden. 1981 wurde das neue System erstmals im DOMINATOR 116 CS vorgestellt. 1993 konnte schließlich mit dem MEGA Dreschsystem und der vorgeschalteten Beschleunigertrommel der Durchsatz nochmals um bis zu 30% gesteigert werden. Über zwei Jahrzehnte lang bildete der DOMINATOR damit die tragende Säule des CLAAS Mähdrescherprogramms.

Ein CLAAS Traktor?

Vier Jahre lang, von 1968 bis 1972, hatten die CLAAS Ingenieure an dem CLAAS Traktor HSG getüftelt, der in Kooperation mit Daimler Benz vertrieben und von CLAAS gebaut werden sollte.

Bei den Überlegungen zur neuen Produktstrategie durfte natürlich die zentrale und wichtigste Maschine in der Landwirtschaft nicht fehlen: der Traktor. Einen traktorähnlichen „Geräteträger für diverse Arbeitsgeräte“ hatte August Claas bereits Ende der 1950er Jahre entwickelt und auf den Markt gebracht – den HUCKEPACK. Eine ganzjährig einsetzbare Maschine, eine Art Multitalent für alle möglichen Anwendungsfälle, die jedoch nur kurze Zeit produziert wurde.

Völlig verabschiedet hatte man sich bei CLAAS von der Traktoridee jedoch nie. Ende der 1960er Jahre griff man sie mit dem HSG-Projekt erneut auf. Der HSG diente zunächst als Versuchsfahrzeug für die Entwicklung eines neuen hydrostatischen Getriebes für Mähdrescher (HSG = Hydrostatisches Getriebe), wurde aber schnell zu einem eigenständigen Projekt, mit dem das Unternehmen den Einstieg in das obere Traktorensegment probte.

Vier Jahre lang, von 1968 bis 1972, hatten die CLAAS Ingenieure an dem CLAAS Traktor getüftelt, der in Kooperation mit Daimler Benz vertrieben und von CLAAS gebaut werden sollte. Doch die Kooperation kam letztlich nicht zustande und das Projekt musste aufgrund eines Sparprogramms auf Eis gelegt werden. Der Traum vom eigenen Traktor blieb jedoch bestehen. Rückblickend steht der HSG für den Beginn der Trac-Fahrzeug-Entwicklung bei CLAAS, die das Unternehmen 1978 mit dem Projekt 207 erneut aufgriff und viele Jahre später als Großtraktorenserie XERION erfolgreich im Markt einführte.

Neue Vertriebswege

Auf dem größten Einzelmarkt der Welt, den Vereinigten Staaten, versuchte CLAAS ab 1965 in Kooperation mit der Ford Tractors Operations Fuß zu fassen.

Wichtige Weichenstellungen für die Zukunft wurden in dieser Umbruchzeit nicht nur im Produktbereich gelegt. Schon seit seiner Gründung war CLAAS ein stark exportorientiertes Unternehmen und hatte sich über die Jahre auch im Ausland einen guten Namen mit einem vorbildlichen Händler- und Servicenetz aufgebaut. Diese Erfolgsstrategie wollte man nun auf weitere Märkte übertragen.

In Europa wurde der Vertrieb in Ländern wie Spanien und Italien, in denen CLAAS bereits seit den 1950er Jahren erfolgreich mit Importeuren vertreten war, neu aufgestellt. Dort kam es 1969 und 1973 zur Gründung eigener Vertriebsgesellschaften, der CLAAS Iberica und CLAAS Italia.

Einen beachtenswerten Erfolg erzielte CLAAS auch in Ungarn. Als einziger Landtechnikhersteller der westlichen Welt war das Unternehmen bereits seit 1969 in dem sozialistischen Land vertreten. Als Importeur diente die Staatshandelsgesellschaft Agrotec. IKR, ein großer staatlich geführter Landwirtschaftsbetrieb, war der erste Großkunde, der später auch die Importrechte erhielt. Bis zur Wende 1989 konnte CLAAS in Ungarn insgesamt etwa 5.000 Großmähdrescher absetzen. Der langjährigen Präsenz in Ungarn ist es letztlich zu verdanken, dass CLAAS bis heute über einen sehr guten Ruf in den Ländern des ehemaligen Ostblocks genießt.

Wichtige Exportländer jener Tage lagen darüber hinaus in Nordafrika. Kleinere Mähdrescher aber vor allem die neuentwickelten Pressen fanden in Ländern wie Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen großen Anklang. Zur Absicherung des Exports war gelegentlich auch eine Vor-Ort-Produktion notwendig. So kam es ab 1975 zu einer Lizenzvereinbarung mit Algerien zur Fertigung des MERCATOR Mähdreschers und der MARKANT Presse.

Auf dem größten Einzelmarkt der Welt, den Vereinigten Staaten, versuchte CLAAS ab 1965 durch eine Vereinbarung mit der Ford Tractors Operations Fuß zu fassen. Das Unternehmen erhielt die Vertriebsrechte für CLAAS Mähdrescher im gesamten nordamerikanischen Markt, die seither unter dem Namen Ford und in den Farben Blau/Weiß in den USA, Kanada und später auch in Mexiko verkauft wurden. Um den dortigen Vertrieb zu stärken, gründete CLAAS im Jahre 1979 zusätzlich eine eigene Marketing- und Vertriebsgesellschaft, die CLAAS of America Inc. (CoA). Nach der Beendigung der Kooperationen mit Ford Mitte der 1980er Jahre und wenig später auch mit Massey Ferguson übernahm die US-Tochter die tragende Rolle für das nordamerikanische Exportgeschäft von CLAAS.

Globalisierung voraus

Die eingeschlagene Expansion im Vertrieb zeichnete die zukünftige Entwicklung des Unternehmens hin zu einer stärkeren Internationalisierung vor. Nachdem das Unternehmen die turbulente Umbruchphase der 1970er Jahre hinter sich gelassen, sich neu organisiert sowie den Vertrieb erfolgreich erweitert hatte, stand die eigentliche Kernkompetenz wieder stärker im Fokus: das Erntegeschäft. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, wollte und musste man in diesem Geschäftsbereich viel stärker und expansiver als bisher wachsen. Eine neue Chance hierfür bot die politische Wende ab 1989 und die Öffnung der neuen Märkte in den Staaten des ehemaligen Ostblocks.

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